Nachhaltigkeitskommunikation: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?
In Zeiten von Greenwashing-Skandalen und wachsender ESG-Regulierung wird die Kommunikation von Nachhaltigkeit in Unternehmen immer stärker unter die Lupe genommen. Aber welche Rolle spielt diese Kommunikation eigentlich für die tatsächliche Veränderung in Unternehmen?
Unsere neue Studie zeigt: Nachhaltigkeitskommunikation kann Wandel bewirken – aber nur unter gewissen Voraussetzungen.
Zwischen Talk und Walk: Die Wirkung der Worte
In Forschung und Praxis wird Nachhaltigkeitskommunikation oft kritisch betrachtet – als schöner Schein ohne Substanz. Wir nehmen jedoch eine andere Perspektive ein: Wenn Unternehmen über ihre Nachhaltigkeitsziele sprechen, erzeugen sie nicht nur Außenwirkung, sondern beeinflussen auch die interne Wahrnehmung des Unternehmens. Kommunikation kann zur Selbstverpflichtung werden – sie „spricht“ den Wandel quasi herbei.
Unsere Analyse von 820 US-Unternehmen über 15 Jahre hinweg zeigt: Es besteht tatsächlich ein Zusammenhang zwischen dem Maß an Nachhaltigkeitskommunikation und der Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen – allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Das bedeutet, dass eine moderate Menge an Nachhaltigkeitskommunikation konkrete Veränderungen im Unternehmen fördert.
Wer jedoch zu viel redet, riskiert das Gegenteil, was zur Überforderung der Mitarbeitenden durch viele Ziele und Erwartungen sowie eine Skepsis hinsichtlich der Ernsthaftigkeit der Bemühungen führt. Dieser Effekt wird durch ein Phänomen verstärkt, das wir aspirational inflation nennen – die Wirkung von Worten verpufft, wenn sie zu inflationär gebraucht werden.
Besonders spannend: Je stärker Unternehmen von Stakeholdern überwacht werden (z. B. durch Analysten oder Medien), desto stärker fällt dieser Effekt aus – sowohl der positive Effekt von moderater Kommunikation als auch der negative Effekt von zu viel Kommunikation.
In Unternehmen, die stark von Stakeholdern überwacht werden, kann übermäßige Kommunikation sogar den Wandel blockieren. Dieses Ergebnis unterstreicht somit die Bedeutung von Monitoring durch Stakeholder für die Nachhaltigkeitstransformation.
Von der Kommunikation zur substantiellen Veränderung
Unsere Ergebnisse legen zudem nahe, dass die Nachhaltigkeitstransformation schrittweise verläuft. Erst folgt auf die Kommunikation symbolisches Handeln, wie das Aufstellen neuer Policies, Selbstverpflichtungen oder Ziele.
Diese symbolischen Schritte sorgen zwar nicht unmittelbar für einen Impact in Gesellschaft und Umwelt und kosten keine Ressourcen, bereiten aber den Weg für substantielle Veränderungen wie Investitionen in Nachhaltigkeit, Ressourcenreallokation (wie Investments in grüne Energie) und ein Umdenken der Erfolgsmetriken im Unternehmen, wie zum Beispiel das Koppeln der Gehälter an CO2-Emissionen.
Wer also erwartet, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele sofort vollständig umsetzen, verkennt die Realität organisatorischen Wandels. Decoupling – also das Auseinanderfallen von Reden und Handeln – ist nicht immer mit Greenwashing gleichzusetzen, sondern kann Teil eines Transformationsprozesses sein.
Wie die Ergebnisse von oben zeigen, sollte die Studie allerdings nicht als Freifahrtschein für Unternehmen gesehen werden. Im Gegenteil: Unternehmen brauchen ein kritisches Monitoring ihrer Stakeholder, damit der Wandel von Worten zu Taten sich einstellt.
Was heißt das für Praxis und Politik?
Für Unternehmen bedeuten die Ergebnisse vor allem eins: Mut zur Kommunikation – aber mit Augenmaß. Nachhaltigkeitsziele öffentlich zu machen, kann helfen, sie intern zu verankern. Doch die Dosis macht das Gift. Wer übertreibt, riskiert Enttäuschung, Widerstand und Vertrauensverlust.
Unternehmen sollten daher ihre Kommunikation bewusst einsetzen, um den Wandel voranzutreiben. Unternehmen, die nachhaltiges Wirtschaften ernst meinen, sollten Greenhushing – also bewusst über Nachhaltigkeit zu schweigen, um Kritik zu vermeiden – nicht als sinnvolle Option betrachten.
Für Politik und Zivilgesellschaft zeigt unsere Studie, dass Nachhaltigkeitskommunikation nicht pauschal verteufelt werden sollte. Gerade in einer Welt, in der viele Unternehmen zunehmend zu Greenhushing neigen braucht es Raum für ambitionierte Kommunikation über Zielbilder, die Veränderungen anstoßen, bevor Ergebnisse sichtbar sind. Stakeholder sollten also ein gutes Maß zwischen engem Monitoring und Freiraum wählen. Das kann jedoch nur gelingen, wenn der politische Rahmen die Transparenz erhöht und Unternehmen weiter verpflichtet ihren Nachhaltigkeitsimpact offenzulegen.
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